Homeoffice oder Vertrauenarbeitsort?

"Wenn man einem Menschen trauen kann, erübrigt sich ein Vertrag. Wenn man ihm nicht trauen kann, ist ein Vertrag nutzlos."

Jean Paul Getty


Wann haben Sie das letzte Mal Homeoffice gemacht? Und welche Regelungen hatten Sie dabei einzuhalten? Es vergeht kaum eine Woche, in der wir nicht einen neuen Artikel über die Flexibilisierung des Arbeitsortes entdecken. Doch Homeoffice ist nicht gleich Homeoffice. Das wurde uns mal wieder vor ein paar Wochen bei einem unserer Kunden klar.

 

Für viele Unternehmen gehört Homeoffice bereits zur Normalität. Doch der Grad an Selbstbestimmung bei den Mitarbeitern variiert dabei stark. Es gibt Organisationen, bei denen die Führungskraft über jeden einzelnen Tag Homeoffice bestimmt. Bei anderen Unternehmen entscheiden die Mitarbeitenden selbstbestimmt und selbstverantwortlich, wo sie arbeiten – egal ob mobil von unterwegs oder zu Hause vom Arbeitszimmer oder Garten aus.

 

Unser Kunde, ein mittelständisches Unternehmen aus der Elektronikbranche mit rund 5.000 Mitarbeitern hatte sich für eine restriktivere Variante entschieden. Eine Regelung, bei der jeder Mitarbeiter, der Homeoffice in Anspruch nehmen möchte, zuallererst eine schriftliche Vereinbarung als Ergänzung zum Arbeitsvertrag benötigt. Festgelegt wird darin auch ein fester Wochentag für das Homeoffice. Dieser kann bei betrieblichen Anforderungen verschoben werden. Die dazugehörige Zusatzvereinbarung umfasst vier DIN­A4­Seiten.

 

Vier Seiten gefüllt mit detaillierten Beschreibungen der Rechte, vor allem aber auch der Pflichten des Arbeitnehmers. Unser Kunde fragte uns nach unserer Einschätzung zu den erarbeiteten Regelungen. 

 Wenn wir Regeln der Zusammenarbeit mit Teams erarbeiten, stellen wir stets zwei Fragen: Was soll durch die Regelung ermöglicht werden? Und welcher Rahmen ist dafür förderlich? In Deutschland haben wir die Tendenz dazu, in Vereinbarungen alle Eventualitäten abzudecken und sie vorwegzunehmen.

 

Eine Vereinbarung soll ‚wasserdicht‘ sein – und am besten ‚unangreifbar‘. Doch das ist auch das Ziel einer jeden Bürokratie: Regelsysteme, die kein menschliches Eingreifen und keine persönliche Kommunikation mehr benötigen. Genau das verhindert jedoch individuelle und maßgeschneiderte Lösungen. Es begrenzt den Möglichkeitsraum für kreatives und innovatives Arbeiten. Bürokratische Regelsysteme entbinden Mitarbeitende wie Führungskräfte von Verantwortung. Selber denken, unterschiedliche Interesse abwägen, Entscheidungen treffen und kommunizieren und Meinungsverschiedenheiten im Dialog klären – Fehlanzeige.

 

Lernen können wir von Unternehmen wie Microsoft. Deren Präambel der Betriebsvereinbarung zum Arbeitsort umfasst gerade einmal einen Satz. „Diese Vereinbarung wird mit dem Willen geschlossen, den Mitarbeiter im größtmöglichen Maße im Rahmen seiner individuellen Freiheit und im Sinne des Geschäfts entscheiden zu lassen, wo die Arbeitsleistung erbracht wird.“

 

Mit welchem Willen werden Vereinbarungen in Ihrem Unternehmen getroffen? 


Dieser Beitrag ist in der Juni-Ausgabe des Wirtschaftsmagazin Standort38 im Rahmen unserer monatlichen Kolumne erschienen. 



Sven Franke & Nadine Nobile sind Gründer von CO:X. Sie gehen als Prozess- und Organisationsbegleiter verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven in Unternehmen  nach. Immer mit dem Ziel den eigenen Horizont zu erweitern und Impulse weiterzugeben und Entwicklung anzuregen.



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