Wirksame Arbeitszeit

Die Frage ist, welche Arbeit Du auf deinen Schreibtisch lässt. Also wofür Du Dich verantwortlich fühlst. Oft übernehmen Führungskräfte - selbst großer Teams - zu viele fachliche Aufgaben.


Emran, Teamleitung IT: Seit der Pandemie arbeite ich zu 90 Prozent im Homeoffice. Mit meinem Team hat die Umstellung auf die virtuelle Zusammenarbeit sehr gut funktioniert. Unsere Prozesse laufen stabil und auch die Stimmung ist, nach einem Tiefpunkt Anfang des Jahres, wieder ganz positiv. Ein Punkt macht mir jedoch Sorgen, und das sind unsere Arbeitszeiten. Trotz stabiler Performance arbeiten alle deutlich länger als vor einem Jahr. Bei mir selbst beobachte ich das ebenfalls. Kürzlich hab‘ ich mal wieder einen Artikel über die 4-Tage-Woche gelesen und nun überlege ich meine Arbeitszeit testweise auf 32 Stunden zu verkürzen. Ob das funktionieren kann?

 

Nadine Nobile: Ob eine Arbeitszeitreduzierung funktioniert, hängt von vielen Faktoren ab. Lass uns Deine Frage deshalb umformulieren: Was braucht es, damit Du Deiner Rolle als Teamleitung an vier Tagen gerecht werden kannst? Auf den ersten Blick scheint dies vor allem davon abzuhängen, wie viel Arbeit auf Deinem Schreibtisch landet und an wie vielen Meetings Du teilnehmen musst. Aus eigener Führungserfahrung mit der 4-Tage-Woche kann ich Dir jedoch sagen, es hängt vielmehr von Deinem eigenen Selbstverständnis als Fach- und Führungskraft ab.

 

Sven Franke: Ja, was zeichnet Dich als Führungskraft aus? Bist Du der Kümmerer, der Experte, der Problemlöser? Dann hängt Deine zeitliche Reduzierung sehr stark an der Deines Teams. Wenn es Dir gelingt in die Rolle des Rahmengebers, Moderators und Sparringspartners zu gehen, dann wird Dir die verkürzte Arbeitszeit deutlich einfacher fallen.

Nadine Nobile: Das kann ich nur bestätigen. Denn die Frage ist ja zum einen, welche Arbeit Du auf deinen Schreibtisch lässt. Also wofür Du Dich verantwortlich fühlst. Da sehe ich immer wieder, dass Führungskräfte - selbst großer Teams - zu viele fachliche Aufgaben übernehmen. Zum anderen ist es geradezu erschreckend wie viel kostbare Lebens- und Arbeitszeit in Meetings verschwendet wird. Führungskräfte aller Ebenen sollten hier viel selbstkritischer werden. Die Zusammensetzung von Regel-Meetings sind viel zu statisch. Pure Anwesenheit stiftet keinen Mehrwert. Genauso wenig das gleiche Argument oder den gleichen Input von mehreren Personen zu hören.

 

Sven Franke: Dazu sollten wir immer im Blick haben, dass Arbeit die unangenehme Eigenschaft hat sich auszudehnen. Wenn wir zusätzliche Zeit zur Verfügung haben, dann kommen uns auch weitere Ideen. Dass die Umsetzung dieser Ideen dann oft aufwendiger ist als gedacht, verdrängen wir dabei nur allzu gerne. Manchmal geht es bei der Teilnahme an Meetings auch um Wertschätzung. Doch dafür gibt es sehr viel effektivere Wege. Sei es ein kurzes Zweier-Gespräch, eine persönliche Geste oder einfach nur eine nette Mail zum Wochenende. Frag Dich also, wann und womit Du als Führungskraft am wirksamsten bist. Als Mikro-Manager, Fachexperte oder Mädchen für alles? Oder nicht doch eher als Überblick-Bewahrer, Critical friend und Rahmengeber.


Dieser Beitrag ist in der Juni-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Standort 38 im Rahmen unserer monatlichen Kolumne erschienen. 



Sven Franke & Nadine Nobile sind Gründer:innen von CO:X. Sie gehen als Prozess- und Organisationsbegleiter:innen verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven in Unternehmen  nach. Immer mit dem Ziel den eigenen Horizont zu erweitern und Impulse weiterzugeben und Entwicklung anzuregen.



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