„Erinnere dich immer an deine Stärken. Es gibt schon genug Leute, die dir einreden, dass du keine hast.“
Michèle Lang
Vor ein paar Wochen stellten wir in einem Workshop die Frage: „Was stärkt Sie?“ Die Teilnehmenden erhielten den Auftrag, sich ein paar Minuten Gedanken zu dieser Frage zu machen und sich im Anschluss in 3er Teams darüber auszutauschen. In der anschließenden Plenumsrunde meldete sich eine der Führungskräfte aus der Runde und sagte: „Die Frage hat mich nachdenklich gemacht. Meine Fehler und Schwächen kenne ich in und auswendig. Aber was mich stärkt, darauf ist mir fast nichts eingefallen.“
Antworten wie diese sind uns nicht neu. Nein, sie sind die Regel. In der Schule, in der Ausbildung und im Studium werden wir konsequent auf unsere Fehler und unser Fehlverhalten aufmerksam gemacht. Gleichzeitig prägen Glaubenssätze wie „Ohne Fleiß, keinen Preis!“ unser Leistungsdenken. Das, was uns leicht von der Hand geht, wird oft wortlos hingenommen und als Selbstverständlichkeit abgetan. Doch selbst wenn wir ein positives Feedback für unser Talent oder ein Dankeschön für unseren Einsatz erhalten, fehlt der Blick darauf, was wir brauchen, um Höchstleistung auf gesunde Art und Weise erbringen zu können.
Leistungsfähigkeit wird vorausgesetzt, aber kaum einer fragt, wie sie uns dauerhaft gelingen kann. Am strengsten ist dabei oft der Antreiber, der in uns selbst sitzt. Erholung wird aufs Wochenende oder besser noch den nächsten Urlaub verschoben. Mit fatalen Auswirkungen. Wir stecken fest im Hamsterrad. Es fehlt uns der Blick für unsere grundlegendsten Bedürfnisse.
Wir vergessen ausreichend zu trinken. Das Mittagessen wird kurz reingeschoben. Auch von dem in Stresszeiten so dringend notwendigen Schlaf lassen wir uns nur zu gern abhalten. Unser unruhiger Geist möchte solange beschäftigt werden, bis die Augen von alleine zufallen. An ausreichend Zeit für Bewegung, Sport oder gar Hobbies ist sowieso nicht mehr zu denken. Auch soziale Beziehungen stellen wir hinten an. Das Dringende geht vor.
Wir würden uns an den Kopf fassen, wenn ein Langstreckenläufer bei seinem Rennen das Trinken oder die Nahrungsaufnahme vergisst. Ganz zu schweigen von dem Kopfschütteln, das er ernten würde, wenn er uns berichtet, für bewusste Regenerationsphasen nach dem Training keine Zeit zu haben. Ausgleichübungen, um beanspruchte Muskelgruppen zu entlasten und den gesamten Körper im Gleichgewicht zu halten, Fehlanzeige? Ja, wo kämen wir denn da hin?
Genauso viel Achselzucken würde er auslösen, wenn er berichtet, sich keine Zeit für regelmäßige Laufanalysen oder das Gespräch mit seinem Coach zu nehmen. Oder etwa bei einem der wenigen Analysen nur sein Rennen berücksichtigt, und nicht etwa alle Faktoren seiner Leistungsfähigkeit unter die Lupe nimmt. Ja, bei einem Langstreckenläufer würden wir die Hände über den Kopf zusammenschlagen und uns fragen, wie er überhaupt auf den Gedanken kommt, mit so einem Vorgehen Höchstleistungen erzielen zu wollen.
Und was hält Sie im Alltag stark?
Dieser Beitrag ist in der Juli-Ausgabe des Wirtschaftsmagazin Standort 38 im Rahmen unserer monatlichen Kolumne erschienen.
Sven Franke & Nadine Nobile sind Gründer von CO:X. Sie gehen als Prozess- und Organisationsbegleiter verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven in Unternehmen nach. Immer mit dem Ziel den eigenen Horizont zu erweitern und Impulse weiterzugeben und Entwicklung anzuregen.
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