Zeit für Väter

Ein Vater gibt keinen Rat, er gibt das Vorbild.

                                                                                                                                  Unbekannt                   


Vor wenigen Tagen feierte mein Vater Siggi seinen 80. Geburtstag. Siggi ist ein Phänomen. Trotz seines Alters hackt er noch regelmäßig Holz. Und das nicht mit irgendwelchen Maschinen. Nein, er teilt die Scheite mit einer Axt – einarmig versteht sich. Dass mein Vater auch im Alter noch so fit ist, ist ein Geschenk. Er arbeitet täglich im gemeinsamen Garten und erschafft Jahr von Jahr ein Paradies für unsere Familie. Ein Paradies, das ohne ihn nicht möglich wäre.

 

Die Bedeutung von Vätern wird oft unterschätzt. In unserer Gesellschaft gilt immer noch das Postulat des Versorgers. Wobei hier das „Versorgen“ lediglich auf das Verdienen des Familieneinkommens abzielt. Welche begrenzte Rolle Vätern zugesprochen wird, zeigt sich exemplarisch am Werbespot von Edeka zum letzten Muttertag. Darin werden Väter als trottelige Taugenichtse dargestellt, die trotz größter Anstrengung immer wieder bei der Betreuung ihrer Kinder versagen. Der Spot endet mit dem Satz eines Kindes, das sagt: „Danke Mama, dass Du nicht Papa bist.“ Edeka erntete direkt einen Shitstorm. Doch schlussendlich zeigen sich an Darstellungen wie diesen Klischees, die in unserer Gesellschaft verankert sind.

 

Kinder benötigen sehr viel mehr als eine fürsorgliche Mutter und einen Vater, der das Geld nach Hause bringt. Auch die Ansprüche und Bedürfnisse von Eltern sind heute andere, als die klassischen Rollenmodelle vorsehen. Doch auch heute noch sind Frauen wie Männer mit Vorurteilen konfrontiert, wenn sie für sich selbst andere Maßstäbe ansetzen. Während Frauen befürchten angefeindet zu werden, wenn sie Karriere machen, fürchten Väter keine Karriere mehr machen zu können, wenn sie sich Auszeiten für die Kinder nehmen.

Doch es tut sich etwas. In den letzten Jahren gründeten sich in mehreren Unternehmen sogenannte Väternetzwerke. Vorreiterrolle übernehmen Unternehmen wie SAP, Lufthansa oder die Commerzbank. In einem Großunternehmen in der Region bahnt sich gerade ebenfalls ein solches Netzwerk an. Es zeigt sich: Väter wünschen sich mehr Freiräume, um verlässliche Bezugsperson für ihre Kinder und Partnerinnen sein zu können. Davon profitieren nicht nur die Kinder, sondern vor allem auch die Väter selbst. Die Wissenschaft weiß längst: Wer glückliche Beziehungen führt, ist zufriedener und gesünder. Besonders aufschlussreich sind die Ergebnisse einer Langzeit-Studie der Harvard University. Sie untersuchte die Entwicklung von rund 700 Männern über einen Zeitraum von über 70 Jahren. Ein zentrales Ergebnis: „Die Teilnehmer, die im Alter von 50 Jahren von glücklichen zwischenmenschlichen Beziehungen berichteten, waren im Alter von 80 Jahren am gesündesten. Körperlich wie geistig", so Robert J. Waldinger, Studienleiter der Langzeitstudie.

 

Mein Vater muss mit 50 ein sehr glücklicher Mensch gewesen sein, so gut, wie es ihm heute geht. Und ja, mein Vater nahm sich immer Zeit für familiäre Belange, ist bis heute in verschiedenen Vereinen aktiv und pflegt seine langjährigen Freundschaften. Und so bin ich mir sicher, dass wir in zehn Jahren seinen 90. feiern werden.


Dieser Beitrag ist in der Juni-Ausgabe des Wirtschaftsmagazin Standort 38 im Rahmen unserer monatlichen Kolumne erschienen. 



Sven Franke & Nadine Nobile sind Gründer von CO:X. Sie gehen als Prozess- und Organisationsbegleiter verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven in Unternehmen  nach. Immer mit dem Ziel den eigenen Horizont zu erweitern und Impulse weiterzugeben und Entwicklung anzuregen.



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