Ein politischer Frühling

Es wird extrem herausfordernd, was da auf uns zukommt. Was macht es mit einer Gesellschaft, der hundert Jahre lang erzählt wurde, man müsse auf Wachstum hinarbeiten, wenn man das auf einmal in Frage stellt?

                                                                                                                                   Luisa Neubauer                    


Wir stecken mitten in einem politischen Frühling. Die Demonstrationen der ‚Fridays-for-Future-Bewegung‘ oder die Proteste gegen die Urheberrechtsreform der EU sind ein Beleg dafür. Auf die Straße sind dabei bislang vor allem Jugendliche und junge Erwachsene gegangen. Eine Generation, der man bis vor kurzem noch unterstellte unpolitisch zu sein. Und wir fragen uns, wie politisch sind eigentlich die Generationen jenseits der dreißig? Wie politisch sind wir selbst?

 

Nun stehen in diesem Monat die Europawahlen an. Für uns stand schon lange nicht mehr so früh fest, wem wir unsere Stimme geben würden. Dabei sind wir überzeugte Wechselwähler und wägen von Wahl zu Wahl ab, wem wir unsere Stimme schenken. Doch welche Kräfte werden in Deutschland insgesamt an Gewicht zunehmen? Welche Strömungen werden in Brüssel an Stimmen zulegen? Eine gewisse Verunsicherung schwingt mit, wenn wir auf die kommenden Wochen schauen. Vor allem was die populistischen und nationalistischen Kräfte angeht. In vielen Ländern gewinnen ihre Ideologien an Bedeutung. Gleichzeitig hinterfragen wir auch unser eigenes Engagement: Was stellen wir diesen Mächten entgegen? Was ist unser Beitrag für eine freie, offene und demokratische Gesellschaft? Wir sind weder in einer Partei engagiert, noch gehen wir auf Demonstrationen oder unterstützen in irgendeiner Form politische Bildung. Doch wie lange können wir uns dies noch leisten? Was muss passieren, damit wir aktiv werden?

Ein Interview mit dem Gerechtigkeitsforscher Prof. Stefan Liebig vom Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigte uns jedoch, dass wir mit unserer Begleitung von Unternehmen im Sinne einer partizipativen Unternehmensführung bereits einen wichtigen Beitrag leisten. Denn Liebigs Forschungsergebnisse zeigen: Das Gerechtigkeitsempfinden in Unternehmen hat direkte Auswirkungen auf das gesellschaftliche und politische Engagement von Beschäftigten. Fühlen Menschen sich beispielsweise ungerecht entlohnt, dann nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass sie sich nicht mehr am politischen Willensbildungsprozess beteiligen. Vor allem dann, wenn sie zu den unteren Lohngruppen gehörten. Überspitzt formuliert: Wer im eigenen Betrieb nichts wert ist, der verliert auch das Zutrauen in Politik und der gibt der Gesellschaft auch nichts zurück.

 

Wer heute demokratische Kräfte stärken will, der kommt nicht umhin, auch im eigenen Unternehmen gesellschaftliche Grundwerte wie Fairness und Partizipation zu leben. Was das konkret in der Umsetzung bedeutet, muss jedes Unternehmen und jede Belegschaft für sich herausfinden. Denn jede Organisation wie auch jede Gruppe von Menschen ist in ihrer Zusammensetzung und ihren Bedarfen einzigartig. Deshalb: Was verstehen Sie persönlich unter Fairness? Und womit schaffen Sie Gelegenheit zur Beteiligung und Teilhabe?


Dieser Beitrag ist in der Mai-Ausgabe des Wirtschaftsmagazin Standort 38 im Rahmen unserer monatlichen Kolumne erschienen. 



Sven Franke & Nadine Nobile sind Gründer von CO:X. Sie gehen als Prozess- und Organisationsbegleiter verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven in Unternehmen  nach. Immer mit dem Ziel den eigenen Horizont zu erweitern und Impulse weiterzugeben und Entwicklung anzuregen.



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